Das Interieur No. 253 (2004 / 2012) von Anton Henning ist eine Bar wie keine andere. Hier, im im Arp-Museum in Rolandseck (bei Bonn), speisen Sie in einem Gesamtkunstwerk aus Wand- und Fenstermalereien, Gemälden und stimmungsvoll gestalteten Lampen.
Es gibt nicht viele Bars, in denen die Kunst so überzeugend und selbstverständlich mit dem Interieur verschmilzt. Meist stehen oder hängen Kunstobjekte in Restaurants an noch freien Flächen und müssen mit Menü und Möbeln um die Blicke der Gäste buhlen. Nicht in Rolandseck bei Bonn. Hier, im Café-Restaurant des Arp-Museums, taucht man wahrlich in ein Gesamtkunstwerk ein und kann sich der Einflussnahme der Kunst mitnichten mehr entziehen. Ein besonderes Ambiente und ein besonderer Zustand werden dem Besucher beschert. Mit dem so genannten Interieur No. 253 schuf Künstler Anton Henning (1964 in Berlin geboren) aus dem Bistro des Arp-Museums eine begeh- und nutzbare Installation, die ihresgleichen sucht: Die Gemälde Hennings zitieren Künstler der klassischen Moderne (u. a. Marcel Duchamp und Piet Mondrian) und greifen Motive der Alltags- und Popkultur wie Pin-ups, Blumenbilder und Sonnenuntergänge auf. So weit, so klassisch. Darüber hinaus gestaltete der Künstler aber auch Tische, Wände und Lampen unter Einsatz geometrischer sowie fließender Formen. Dabei sparte er nicht an Farbigkeit und Fläche. 2012 widmete er sich in einem Nebenraum zusätzlich den Glasfenstern, die er mit Buchstabenmotiven und erneut geometrischen sowie freien Formen versah. Bei Sonneneinstrahlung wird die salon-artige Bar mit Fischgrätenparkett daher in eine stimmungsgelade Szenerie getaucht. Hennings Gesamtkunstwerke wollen den bürgerlich definierten „guten Geschmack“ infrage stellen. Dennoch laden die Räume zum Wohlfühlen und Verweilen ein. Vielleicht sogar zum Herumspinnen und Davonfliegen mit den Gedanken – was beim Ausblick auf den ruhig fließenden Rhein noch verstärkt wird.
Diese sinnlich aufgeladene, symbolistische bis psychedelische Einrichtung ist eine Kostbarkeit und Ausnahme – hatte doch lange die White-Cube-Ästhetik die Tempel der Kunst besetzt. Gerade nach einem Corona-kargen Winter und dem bei vielen damit einhergehenden Gefühl, zu vereinsamen oder zu veröden, könnte die Sehnsucht nach bunter Atmosphäre besonders groß sein.
Farben wirken schließlich direkt auf unser Gemüt. Rot aufreizend und aktivierend, in entsprechender Dosierung gar gesellig, gesprächig, leidenschaftlich. Blau beruhigt bekanntlich, Gelb stimmt heiter und so weiter. Hennings Farbkonzept ist freilich ein Anstifter für viel feiner nuancierte Sinneseindrücke. Der Künstler ist mehr als ein Innenarchitekt. Jeder sollte selbst ausprobieren, was der Raum mit ihm macht.
Ähnliche Arbeiten hat Henning unter anderem in der Ausstellungshalle am Hawerkamp in Münster und im Kunstmuseum Luzern realisiert. Falls diese Interieurs für Sie näher sind, können Sie dort schon einmal auf den Geschmack der Gesamtkunstwerke kommen. Ein Besuch in Rolandseck lohnt aber auch wegen des Museums. Auch dieses ist eine architektonische Ausnahme-Erscheinung: Es befindet sich in einem sanierten klassizistischen Bahnhofsgebäude und erstreckt sich unterirdisch weiter in einen imposanten Neubau von Stararchitekt Richard Meier, den man über einen langen Tunnel erreicht – inklusive einer spektakulären Liftfahrt zu den jüngreren Ausstellungsräumen.