Marktcheck Rembrandt

2020-11-24T09:41:37+01:00investing|

Nach 15 Jahren kam Ende Juli das Selbstporträt „Rembrandt mit Halskrause und schwarzem Hut“ Sotheby’s London unter den Hammer. Auf einer gerade mal 21,8 Zentimeter hohen Holztafel hat sich der Emporkömmling der Handelsmetropole Amsterdam groß inszeniert. Jetzt ist das Bild, das zuvor angeblich einer Bank gehörte, 16 Millionen Pfund wert.

Wann ist ein Bild Millionen wert, 16 Millionen etwa? – wie im Fall des kürzlich bei Sotheby’s in London versteigerten Portraits „Rembrandt mit Halskrause und schwarzem Hut“. Am 28. Juli kam die gerade mal 21,8 Zentimeter große Holztafel untern Hammer. Sie wurde als eines der letzten, sich noch in Privatbesitz befindenden Selbstportraits des Alten Meisters beworben. Alle anderen Selbstbildnisse des Malers befinden sich längst in Museen, sind damit unverkäuflich. George Gordon, Sotheby’s Co-Chairman für Alte Meister, hat uns vor der Auktion die Qualitäten des Bildes erläutert. Mit 16 Millionen ist das Kunstwerk zum teuersten Selfie des berühmten Malers aufgerückt. Dieser hatte sich so oft wie kein anderer in der Geschichte selbst porträtiert – und selten zu seinem Vorteil: Rembrandt gilt laut Kunstkritiker Robert Hughes als „Topograf des menschlichen Gesichts“. Seine schonungslose Malweise, eine schier obsessive Suche nach der Wahrheit im Antlitz des Menschen, wurde sein Markenzeichen. Ein Interview mit George Gordon, Sotheby’s Co-Chairman für Alte Meister, über die Entstehungsumstände des Selbstbildnisses von 1632, seinen heutigen Rekordpreis und die späte Wertschätzung des Malers im 19. Jahrhundert.

Wie erklären Sie den Schätzpreis von 12 bis 16 Millionen Pfund für Rembrandts “Selbstportrait mit Halskrause und schwarzem Hut”  von 1632?

Da sich nur drei Rembrandt-Portraits in privater Hand befinden und dies möglicherweise das letzte ist, das öffentlich versteigert wird, ist die Vorverkaufsschätzung keine leichte Aufgabe. Es gibt nur wenige Benchmarks. Zuletzt haben wir ein Rembrandt-Selbstporträt 2004 bei Sotheby’s in London verkauft. Es brachte knapp sieben Millionen Pfund (damals 11,3 Millionen Dollar) ein, wäre heute jedoch viel mehr wert. Die höchsten Auktionspreise für Rembrandt liegen bisher bei 20,2 Millionen Pfund (2009), 19,8 Millionen Pfund (2000) und 25,8 Millionen Pfund (2007). Die ersten beiden Werke befinden sich nun in Museen, in denen sie auch bleiben werden.  Das weist darauf hin, dass Rembrandts Gemälde (ganz gleich welcher Sujets) in Privatbesitz immer seltener werden.

Sie schrieben in der Pressemitteilung, dass das Gemälde “in bemerkenswert kurzer Zeit entstanden ist“. Was bedeutet das konkret und was ist über die Entstehungsumstände bekannt?

Das Gemälde wurde letztes Jahr ausführlich untersucht, woraus hervorgeht, wie Rembrandt es angelegt hat. Er begann mit dem grünen Hintergrund, ließ dabei jedoch eine Fläche für sein Portrait frei. Nachdem er er nun sein Selbstbildnis fertig hatte, also die Leerstelle gefüllt war, signierte er das Gemälde in den noch nassen Hintergrund. Als er dies tat, musste der grüne Hintergrundfarbe noch feucht gewesen sein, so dass die Unterschrift und das Datum in sie einflossen. Dies deutet darauf hin, dass er das Selbstportrait in wenigen Stunden oder höchstens einem Tag gemalt haben muss.

Wie beurteilen Sie das Zusammenspiel von Motiv und Malweise in diesem Gemälde?

Oft spricht man in Rembrandts Gesamtwerk von einer besonderen Qualität und Wechselwirkung zwischen Form und Inhalt. In der berühmten „Judenbraut“ (1667) etwa, einem Gemälde, auf dem Isaac und Rebekka sich liebevoll in den Armen halten, liegen pastose Farbschichten auf, die das Licht zärtlich schimmern lassen. Ein Malstil, der die Gefühle der Dargestellten spiegelt bzw. sogar steigert. Am Bildschirm erkennt der Betrachter diese Qualitäten kaum, verglichen mit dem Original.

Erläutern Sie bitte den Malstil des Selbstportraits?

Wie gesagt, diese Arbeit wurde in einer schnellen, skizzenhaften Technik ausgeführt, die weniger als bei anderen Arbeiten auf aufgebauten Glasuren basiert. Rembrandt passte seine Technik stets an Art und Zweck seiner Gemälde an. Tatsächlich sind alle seine frühen Selbstporträts, von denen die meisten recht klein sind, schnell gemalt worden. In den frühen Gemälden (gleich welcher Sujets) benutzte er zudem häufig den Griff seiner Pinsel oder  Spachtel, um Linien –  zum Beispiel bei der Ausführung von Haaren – in die  Farbe zu kratzen. In der Zeit der Entstehung dieses Bildes wendet Rembrandt diese Malweise schon seltener an. Vergleicht man Rembrandts Selbstportraits aus seiner Jugend mit denen als älteren Mann, sieht man, dass er nichts beschönigen will: Im Alter wird das Haar kraus und licht, der Teint blass, die Nase kapillarig. Rembrandt legt keinen falschen Filter über seine Selfies. Er scheint als Künstler der Wahrheit und Authentizität verpflichtet.

Wie bewertet der Markt diese verschiedenen Portraits? Welche sind oder waren am Markt die gefragtesten?

Es besteht kein Zweifel daran, dass ein spätes Selbstporträt mit der charakteristischen Tiefe psychologischer Durchdringung und rücksichtsloser Ehrlichkeit in der Selbstbefragung einen sehr hohen Preis erzielen würde. Dies gilt übrigens auch für spätere Werke anderer Sujets. Aber davon existieren schlichtweg keine mehr in Privatbesitz, sodass sie auf den Markt gelangen würden. Sie befinden sich allesamt in Museen.

Rembrandt war ein Emporkömmling. Gegen Mitte seines Lebens führte er einen luxuriösen bis verschwenderischen Lebensstil. Fehlspekulationen, die vielen Angestellten, das teure Herrenhaus in der Breestraat – letztlich war der Schuldenberg so groß, dass er am 26. Juli 1656 Insolvenz anmelden musste. Zusätzlich brach in der Zeit der Kunstmarkt in den Niederlanden, der bis vor kurzem noch florierte,  dramatisch zusammen. Das betraf auch die Nachfrage nach Rembrandts Gemälden.

Wann in der Geschichte wurden diese wieder begehrter und so richtig teuer?

Rembrandts Kunst übte im 18. Jahrhundert einen spürbaren Einfluss auf viele Künstler aus – was nicht verwundert. Seine Radierungen waren weit verbreitet. Aber er wurde da noch nicht viel gesammelt. Deshalb ist sein Werk in öffentlichen Sammlungen, die ja aus den großen Privatsammlungen des 18. Jahrhunderts hervorgingen, unterrepräsentiert. Die Wiederbelebung des Interesses an Rembrandt begann erst im 19. Jahrhundert. Das Sammeln seiner Kunst ging mit dem Aufschwung der Wissenschaften einher. Insbesondere in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts und dem beginnenden 20. Jahrhunderts beschleunigte sich die Sammeltätigkeit, wie wir wissen, bis heute rasant. Ein Meilenstein in der Geschichte war die Versteigerung der Arbeit „Aristoteles über der Büste Homers“ in New York im Jahr 1961. Mit 2,3 Millionen US-Dollar war es seinerzeit das teuerste Gemälde, das jemals auf einer öffentlichen Auktion oder im Privatverkauf den Besitzer wechselte.

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