Münchner Auktion sorgt für neue Trends und Rekorde. Warhol, Kandinsky – jetzt Fangor?

2020-11-24T09:54:01+01:00investing|

Das Auktionshaus Ketterer Kunst hat am 7. und 8. Juni für bekannte Kunstmarktstars neue Rekorde aufgestellt. Interessant erscheinen die Ergebnisse für Werke von Künstlern, deren Namen nicht jedem vertraut, gleichsam aber von Weltrang sind und seit Kurzem den Markt erobern.

Das teuerste Los der beiden Auktionstage bei Ketterer in München wurde mit 2,5 Millionen Euro (der Erlös entspricht dem Zuschlagspreis plus 25 Prozent Aufgeld) Wassily Kandinskys „Treppe zum Schloss (Murnau)“ aus dem Jahr 1909. Das pastos und sehr expressiv gemalte Landschaftsbild ging an einen deutschen Sammler, der mit einem schriftlichen Gebot den Zuschlag erhielt und damit einen ehrgeizigen Telefonbieter enttäuscht zurückließ. Das Spitzenergebnis stellt einen neuen Rekord für eine im deutschsprachigen Raum versteigerte Arbeit Kandinskys auf.

Auf Platz 2 von Ketterers Sale rangiert ebenfalls ein Künstler mit weltbekanntem Namen. Marktliebling Andy Warhol. Sein „Portrait of a Lady“ (Enid Beal) weckte einen fulminanten Bieteifer und verdreifachte die Aufrufsumme von 360000 Euro auf 1 125 000 Euro. Das Bild ging an einen Sammler aus Süddeutschland, der sich gegen Konkurrenz von der amerikanischen Westküste (Telefonbieter) und aus der Schweiz (schriftliches Gebot) durchsetzte.

Die weiteren Ränge, nach Höchstpreis gelistet, besetzen weitere namhafte Künstler . Das ist nichts Neues: Der Markt befördert immer wieder altbekannte Namen in schwindelerregende Preishöhen. Interessant ist jedoch der Fall Fangor. Wojciech Fangor war ein 1922 in Warschau geborener Maler, Plakatmaler, Bildhauer, der 1961 Polen verließ, zunächst in Westberlin, dann in London weilte, und letztlich 38 Jahre in den USA lebte und dort als Maler der abstrakten Kunst wirkte. Sein flimmerndes, farbintensives Öl-Bild „E9“ weckte bei Bietern aus Polen, Deutschland, Monaco und Liechtenstein großes Interesse und ging letztlich für 400000 Euro (es wurde auf 100000 Euro taxiert) an eine süddeutsche Privatsammlung.

Es handelt sich um ein Signature-Werk aus dem Schaffen des polnischen Malers. Denn gerade die (konzentrischen) Kreise in der Sfumato-Technik zählen zu Fangors Markenzeichen. Der Künstler fand zu dieser Malerei in den späten 60er-Jahren, nachdem er den Sozialistischen Realismus in Polen 1957 überwunden hatte und nach neuem Ausdruck suchte. Schon 1970 sorgte er mit seinen neuen Bildern für Aufsehen: Das Guggenheim Museum richtete ihm eine Einzelausstellung ein. Seine schier hypnotische Malerei passte zu den neuen Strömungen in New York und war doch anders. Sie changiert zwischen Op-Art und Farbfeldmalerei und erinnert gleichsam an Fangors Plakatkunst. „Mit weichem Pinsel fügt der Künstler unzählige lasierende Schichten satter Ölfarbe zu einer pulsierenden Komposition mit irritierendem Bewegungsmoment zusammen“ heißt es in Ketterers Katalogtext zu dem Werk „E9“. Von „nebligen, verschwimmenden Konturen“ und einer „gänzlich einnehmenden Wirkung beim Betrachter“ sowie „völlig neuen Seherfahrung“ ist ferner die Rede. Diese Wirkung hat auch den Kunstexperten, Auktionator und Talentscout Simon de Pury vor einigen Jahren beeindruckt, der daraufhin 2014 eine Schau mit Werken Fangors kuraierte („Color, Light, Space“ in der Galerie 3, in London) und dazu vermerkte: „The first contact with Fangors work will be a revelation for anyone who is not familiar with it. Fangors bold use and choice of saturated colors combined with simple shapes and blurred edges is unlike anything that any other artist was doing between the late 1950s and early 1970s. Seen today it has lost none of its freshness and could actually easily be mistaken for work having been done now.“ Die New York Times schrieb im Zuge von De Purys Ausstellung gar von einer „Offenbarung“ in der zeitgenössischen Kunst. In Polen sorgte eine umfangreiche, bereits in 2012 ausgerichtete Retrospektive des Nationalmuseum in Krakau für Aufmerksamkeit und später insbesondere die Versteigerung der Arbeit „Ma32“, die kurz nach Fangors Tod im Jahr 2015 die Millionen-Zloty-Marke für ein je in Polen versteigertes Werk des Malers durchbrach.

Seitdem wächst die internationale Wiederentdeckung und Wertschätzung der Arbeiten Wojciech Fangors stetig. Die Auktion bei Ketterer belegt diesen Trend: Der Zuschlag von 400000 Euro hat einen neuen Rekord für Fangors in einer „Versteigerung in Kontinentaleuropa verkaufte Arbeiten aufgestellt.

Unverkaufte Objekte aus Ketterers Offerte, die während der beiden Juni-Auktionstage keinen Zuschlag erfuhren, können übrigens bis 2. August im Nachverkauf und nicht selten mit Nachlass erworben werden.

Das Familienunternehmen Ketterer Kunst www.kettererkunst.de und www.ketterer-internet-auktion.de mit Sitz in München und Dependancen in Hamburg, Düsseldorf, Berlin und den USA wurde 1954 gegründet. Es zählt zu den führenden europäischen Auktionshäusern in den Bereichen Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts und Wertvolle Bücher. 2019 feiert Ketterer Kunst sein 65-jähriges Bestehen. Mit über 28 Millionen Euro realisierten die sieben Auftakt-Auktionen in diesem Jahr das beste Frühjahrsergebnis des Hauses. Insgesamt 55 Erlöse im Gegensatz zu 44 verglichen mit dem ersten Halbjahr in 2018 erreichten oder übertrafen die 100000-Euro-Marke. Die Zuschläge für Wassily Kandinsky und Andy Warhol sorgten für die einzigen beiden Millionenerlöse im ersten Halbjahr in Auktionen in ganz Deutschland.

Top 5 der Auktion von Ketterer Kunst vom 7./8. Juni 2019

€ 2.500.000* Aufruf: € 1.500.000 Los 128: Wassily Kandinsky – Treppe zum Schloss (Murnau)

€ 1.125.000* Aufruf: € 360.000 Los 168: Andy Warhol – Portrait of a Lady

€ 625.000* Aufruf: € 300.000 Los 144: Ernst Ludwig Kirchner – Drehende Tänzerin

€ 500.000* Aufruf: € 250.000 Los 140: Daniel Richter – Alles ohne Nichts

€ 500.000* Aufruf: € 400.000 Los 114: Günther Uecker – Baum

€ 437.500* Aufruf: € 350.000 Los 100: Hermann Max Pechstein – Damenbildnis. Verso: Liegender Akt

€ 437.500* Aufruf: € 300.000 Los 096: Franz Marc – Zwei Pferde. Verso: Zwei stehende Mädchenakte mit grünem Stein

* Der Erlös entspricht dem Zuschlagspreis + 25% Aufgeld.

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