Am 8. und 9. Dezember lädt das traditionsreiche, 1923 gegründete Münchner Auktionshaus KARL & FABER zu Auktionen mit moderner und zeitgenössischer Kunst ein – mit Gemälden berühmter Namen wie Serge Poliakoff, Max Ernst oder Paul Klee sowie Skulpturen von Kiki Smith, Rosemarie Trockel oder Tony Cragg.
Nach der Jahrhundertwende (19./20. Jh.) begann der Aufbruch der Frauen in die Moderne. Zahlreiche Künstlerinnen emanzipierten sich von ihren Malerpartnern und -kollegen. An vorderster Front Gabriele Münter. Sie ist in der anstehenden Auktion mit dem Ölgemälde „Im Park von Saint-Cloud“ (Los 301, Schätzpreis: € 60.000/80.000) vertreten, das sie 1906 malte, als sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Wassily Kandinsky in Sèvres lebte. Kurze Zeit später bezog Münter allein ein Zimmer in Paris, um den zerstörerischen Kräften der Beziehung zu entgehen und ihrem eigenen Stil zu folgen.
HINWEIS: Im Zentrum Paul Klee in Basel wird vom 29.01.bis 8.05.2022 ihre erste großangelegte Retrospektive in der Schweiz („Gabriele Münter. Pioneer of Modern Art“) gezeigt. Diese dürfte den Marktwert der Mitbegründerin der legendären Künstlergruppe “Der Blaue Reiter” weiter beflügeln. Münter zählt zu den bedeutendsten KünstlerInnen des Expressionismus und gilt als wichtige Wegbereiterin der modernen Kunst. In einer seinerzeit stark von Männern dominierten Berufswelt entwickelte sie eine kraftvolle eigenständige Bildsprache, die bis heute modern ist. In Basel werden neben ihren Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken auch Exponate aus ihrem umfangreichen fotografischen Werk ausgestellt, das ihre frühen Reisen nach Amerika und Tunesien sowie ihre Aufenthalte in Frankreich dokumentiert.
Eigene Wege ging auch Alice Halicka, nachdem sie ihr Mann, der polnische Maler Louis Marcoussis, 1912 in den Kreis der Kubisten eingeführt hatte. Dieser Stilrichtung war sie noch verpflichtet, als das melancholisch-poetische „Nature morte“ (1918) entstand (Los 322, 1918, Taxe: € 28.000/34.000). Obwohl die Mathematikerin anfangs dem Kubismus verwandte Bilder schuf, änderte sich später ihr Stil in realistisch und sehr persönlich. Oscar Ghez, Präsident und Gründer des Museums Petit-Palais in Genf, schreibt dazu: „Als der Soldat (ihr Ehemann) wieder heimkehrte (von der Front) und die Werke seiner Frau sah, riet er ihr ab mit der Malerei weiterzumachen, da er der Ansicht war, ein Kubist reiche in der Familie. Halicka, gehorsam und zu eigenwillig, um wie ihr Mann zu malen, zerstörte einen Teil ihrer Gemälde, (…) änderte ihren Stil und vergaß den Kubismus.“ Die dritte im Bunde der starken Frauen der Auktion ist Hannah Höch. Sie war Dadaistin und sieben Jahre lang mit dem ebenfalls bekannten Vertreter dieser Stilrichtung Raoul Hausmann liiert. Mitte der 1920er-Jahre distanzierte sie sich zwar von der Künstlergruppe, die dadaistischen Elemente in ihrem Werk blieben – wie in „Drei Masken“ von 1925/30 zu erkennen (Los 325, Schätzpreis: € 25.000/28.000).
Auch Max Ernst schloss sich in Köln der Bewegung an, die nach den Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg konventionelle Kunstformen ablehnte. Nach seinem Umzug nach Paris im Jahr 1920 sprang Ernst jedoch zum Surrealismus über, wurde zum Pionier des Stils und galt als „Revolutionär des Sehens“. Dabei setzte er abstrakte Formen zu rätselhaften Kompositionen zusammen – etwa in „L’Homme et la Femme“ (Los 323, 1930). Das Gemälde vereint die wichtigsten Themen des Surrealisten: Mann und Frau, Mensch und Tier, das Reale und das Fiktionale. Die Taxe des Bildes beträgt stattliche € 250.000/300.000 und wirft damit auch ein Schlaglicht auf das preisliche Gefälle zwischen hochkarätiger Kunst von männlichen Vertretern der Moderne gegenüber der von weiblichen.
Mit den folgenden Losen wird dieses Gap noch deutlicher: Serge Poliakoffs „Composition abstraite“ (Los 329, 1951) soll 350.000 bis 400.000 Euro kosten. Poliakoff verzichtete in seiner Malerei ab 1935 zunehmend auf gegenständliche Bezüge. Während er zu Beginn ein gedecktes Farbspektrum aus Grau- und Brauntönen favorisierte, hellte sich die Palette ab den 1950er-Jahren auf. Das zur Versteigerung angebotene Werk besticht durch ein Couleur aus Schwarz, Gelb und Orange und ist ein typisches Beispiel für Poliakoffs erweiterte Palette. Zur gleichen Zeit, im Jahr 1950, begann Josef Albers seine berühmte Serie „Homage to the Square“. Daraus stammt das herausragende Werk „OracleW (Los 332, 1961; Taxe:€ 350.000/400.000), das mit fünf weiteren Arbeiten des Künstlers an den Start geht. Noch vergleichsweise günstig erscheint da Hans Hartung „Sans titre (24 mai 1975)“, (Los 331, Taxe: € 40.000/50.000). Hier führte der Künstler seine typischen Linienkompositionen zu Collagen zusammen. Das Bild ist damit eine Rarität, es besitzt ferner eine frappierende Sog-Wirkung und ist farblich angenehm reduziert.
Aus dem Bereich der Zeitgenossen kommen zwei Glasarbeiten von Marktliebling Tony Cragg unter den Hammer: „Visible ManW (#2) (Los 617, 2009) gehört zu einer kleinen, auserlesenen Suite der ersten Murano-Skulpturen des englischen Bildhauers (Schätzpreis: € 60.000/80.000). „Blood Sugar“ (Los 616, 1993), eine dreiteilige Skulptur, entstand aus sandgestrahltem Glas (Schätzpreis: €50.000/60.000). Obschon oder gerade da die Glasarbeiten nicht zu den Signature Werken des Künstlers zählen, wirken sie sehr erfrischend.
Schon in den Frühjahrsauktionen des Hauses als höchst begehrt erwies sich Stephan Balkenhols „Der Zauberer“. Diesmal versteigert KARL & FABER unter anderem eine der typischen Holzskulpturen des Künstlers: „Mann mit weißem Hemd vor Relief“ (Los 619, 2011, Taxe: € 50.000/70.000). Den völligen Gegensatz in Material und Ausarbeitung stellt Kiki Smiths Bronze „Seer“ (Alice I) dar (Los 618, 2006, Taxe: € 25.000/35.000). Mit der Figur thematisiert die Künstlerin die Verletzlichkeit von Kindern und Kindheit. Die Bronze gehört zu einer umfangreichen Werkserie, die sich auf Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ bezieht. Fragil in punkto Beschaffenheit, stark indes in der Aussage wirkt Rosemarie Trockels „Balaklava Maske (Blue Plus/Minus)“ von 1986 (Los 620). Die Wollmütze mit blauem Muster soll 20.000 bis 30.000 Euro kosten. Im Juni verkaufte sich bei Lempertz ein braunes Exemplar für 36 000 Euro. Eine ähnliche Arbeit („Balaklava Box, Uniqum“, 1986-90) bestehend jedoch aus fünf solchen in einer Vitrine präsentierten Mützen erzielte 2017 bei Sotheby’s 210 000 Pfund/ über 300 000 Euro. Laut dem aktuellen „Kunstkompass“ des Wirtschaftsmagazins „Capital“ zählt Trockel zu den zehn weltweit einflussreichsten zeitgenössischen Künstlern.
Eine andere einflussreiche Künstlerin, Dadamaino (Eduarda Emilia Maino), ist mit „Volume“ von 1958 (Los 604, Taxe: € 25.000/30.000) vertreten. Dadamaino wird für ihre Volumi-Serien / skulpturalen Wandobjekte geschätzt, denn sie war eine der wenigen weiblichen Pionierinnen der italienischen Avantgarde der 1960er Jahre. „Volume“ von 1958 ist eines der frühesten Beispiele aus ihrem Schaffen und könnte daher auf großes Bieter-Interesse treffen.
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AUKTIONSTERMINE
Moderne Kunst
Mittwoch, 8. Dezember 2021 – Auktionen 307/308 16 Uhr | Moderne Kunst Teil II | Los 400–506
17 Uhr | Zeitgenössische Kunst Teil II | Los 700–806
Zeitgenössische Kunst
Donnerstag, 9. Dezember 2021 – Auktionen 307/308
18 Uhr | Ausgewählte Werke, Moderne | Los 300–332 & Zeitgenössische Kunst | Los 600-643
Hinweis: Die Kataloge sind online einsehbar. Zusätzlich zu seinen mindestens sechs Live-Auktionen pro Jahr führt KARL & FABER seit Frühjahr 2019 Online-Only-Auktionen durch.