Schon ab 200 Euro gibt es Kunst von Koryphäen des 20. Jahrhunderts bei Jeschke van Vliet. Welche Werke wir Ihnen aus dem Nachverkauf (bis Ende August) des Berliner Auktionshauses empfehlen, lesen Sie hier. Derzeit zieht das auf Arbeiten auf Papier und Editionen spezialisierte Unternehmen in eine Villa in Zehlendorf (Berlin). Ab Oktober können Interessierte die Offerte in den neuen Räumen begutachten.
Jeschke Van Vliet ist ein Berliner Auktionshaus, das Ende Juni Arbeiten auf Papier aus der Kunst nach 1945 zur Versteigerung anbot. Die teuren Werke blieben dieses Mal liegen. Es war sehr heiß am Auktionstag – und Fußball tat sein Übriges. Dennoch können sich u.a. diese Ergebnisse sehen lassen: Los 169 (Yves Klein), Zuschlag bei 11 680 Euro und Los 25 (Brice Marden), Zuschlag bei 6760 Euro (beide inkl. Aufgeld). Ersteres umfasst einen Ausstellungskatalog von Yves Klein mit dem Monochrome “Feuer” (mit Blattgoldapplikationen auf Goldfolie) und zwei Farbserigraphien (eine pinkfarbene und eine blaue Farbserigraphie). Alle drei Arbeiten sind 32 x 23 cm groß, punktuell auf Unterlage und unter Passepartout montiert. Die minimalen Beschmutzungen des Original-Umschlags des Katalogs sowie die leicht bestoßenen Ecken des Monochrome und der Serigrafien taten der Bieterfreude keinen Abbruch. Sorgte doch die intensive Farbigkeit und der Goldglanz für einen imposanten leuchtendem bzw. schimmernden Effekt. Zudem hatte der Künstler das goldfarbene Monochrome eigenhändig mit Blattgold belegt, weshalb es eine unikate Variante darstellt und den Preis von 9500 Euro (Zuschlagspreis) rechtfertigt. Den hier mitversteigerten Katalog rühmt die Tatsache, dass er zu Kleins ersten deutschen Gesamtausstellung entstand (Museum Haus Lange, Krefeld, 1961), die obendrein des Künstlers erste institutionelle Ausstellung im Ausland war. Sie blieb ferner die einzige öffentlich museale Schau bis zu Kleins Tod. Nur ein Jahr nach der Schau verstarb der Künstler. Kleins farbige Monochrome sind in die Kunstgeschichte eingegangen und wahrhafte Ikonen der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Es ist ein Markenzeichen Jeschke Van Vliets, seine Offerten mit Arbeiten auf Papier namhafter Künstler zu bestücken. So erzielte das Haus das andere großartige Ergebnis im Juni ebenfalls mit einer Koryphäe der Kunst nach 1945. Brice Marden, US-amerikanischer Star des Minimalismus, schuf 1969, in der Hochphase seines Schaffens, diese schwarz-graue Lithographie auf Bütten im Format 34,1 x 50,5 cm (signiert, datiert und nummeriert, mit Blindstempel Chiron Press). Es ist das dritte Blatt einer auf 20 Stück limitierten Edition und wurde 1969 in der Gagosian Gallery ausgestellt. Auch hier konnten minimale Bestoßungen die Euphorie der Bieter nicht schmälern. Der Anblick des kontemplativ stimmenden Werkes und die Provenienz (Big-Player-Galerie) sorgten für so viel Anziehungskraft, dass die 5500 Euro (ohne Aufgeld) ohne Mühe zugeschlagen wurden.
Soviel zu den Highlights und bereits verpassten Chancen. Im Nachverkauf stehen liegen gebliebene, darunter einige durchaus interessante Arbeiten zur Auswahl. Schon ab 300 Euro finden sich Blätter von beispielsweise Horst Antes, Arman oder Robert Motherwell. Vom Letzteren wird sogar ab 200 Euro ein Werk angeboten: eine schwungvolle Tusche-Arbeit auf Papier (Los 11). Diese 54,6 x 45 cm große Lithografie auf Velinpapier (gleichmäßig strukturiertes und glattes Papier, das dem Pergament ähnlich sieht) ist auf 1988 datiert und optisch ein reizvolles Echo des Abstrakten Expressionismus. Es erinnert vom Duktus an Pollocks Nr. 23. Wermutstropfen bei dem Werk ist die 750 Stück umfassende Edition, die den günstigen Preis erklärt. Fürs Auge (und jeden Einsteiger) bleibt “Untitled (Tres Poemas, 1988)” ein attraktives Blatt.
Für Sammler, die das Besondere suchen und bereit sind, mehr auszugeben, lohnt der Blick auf ein Werk von Hans Hofmann (Los 15). “O.T.”, um 1932, ist eine Tusche-Arbeit auf Papier im Format 21,5 x 27,5 cm, die punktuell auf Unterlage montiert und im leinenbezogenen Passepartout freigestellt wurde. Unter Glas gerahmt gibt sie den Blick auf eine großartige Wende im Werk des Künstlers frei: Das Entstehungsjahr der Arbeit 1932 war für Hofmann wegweisend. Er hatte sich entschlossen, um den Repressalien der Nationalsozialisten zu entkommen, in die USA zu emigrieren, wo er sich bereits mehrere Sommer aufgehalten hatte. Mit dem Umzug in die Weltmetropole setzt eine entscheidende künstlerische und stilistische Wende ein: die Hinwendung zur Abstraktion. Die vorliegende Arbeit nimmt vorweg, mit welcher Ausdruckskraft Hofmann das Nonfigurative beherrschen und mit seiner Hans Hofmann School und den Impulsen zum Abstrakten Expressionismus Künstlergenerationen nach ihm beeinflussen sollte. Diese für 2000 Euro im Nachverkauf angebotene Arbeit zeigt in Schwarz Weiß ein Ensemble an Formen, Punkten und Linien, das wie auf einer Bühne drapiert zu sein scheint. Ein wenig hektisch, auch suchend wirkt der Duktus – passend zur Ungewissheit und Hektik jener Zeit.
Als letztes Schmarkerl sei eine Kaltnadelradierung auf chamoisfarbenem Bütten von Per Kirkebys empfohlen, für lediglich 350 Euro. Die darauf sichtbar werdenden drei Elemente, rhythmisch gezeichnet, wie wacklige Türme aus einer neuen Art Notenschrift zusammengesetzt, drohen einzustürzen – oder tanzen sie? Die Komposition ohne Titel ist monogrammiert, datiert und nummeriert und zeigt einen schönen Schöpfrand. Das 50,5 x 38 cm große Blatt (eines von 20 Exemplaren) bereitet haptisch und optisch Freude.
Jeschke Van Vliet offeriert immer wieder derart Kostbarkeiten. Das Unternehmen wurde 1989 nach elf Jahren des erfolgreichen internationalen Antiquariatshandel von Hans-Joachim Jeschke im Westteil Berlins gegründet. 2004 trat Hans van Vliet dem Unternehmen bei, wodurch eine Repräsentanz in Paris hinzukam und die Kundenbetreuung von zunehmend französischen und italienischen Sammlern. Diese fördert die internationale Ausrichtung des Hauses, in dem jährlich sechs reguläre Auktionen stattfinden (jeweils drei Buchauktionen und drei Kunstauktionen). Sonderauktionen zu unterschiedlichen Themen finden sich in der Agenda ebenfalls. Ein neues Kapteil, zumindest räumlich, schlägt das Unternehmen ab Oktober auf: Es zieht in die prächtige Puhlmann-Villa in Berlin-Zehlendorf (Potsdamer Str. 16).
Mehr Informationen unter jvv-berlin.de
Die Auktionskataloge finden Sie hier